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Sarah Iremonoger: The Hunting Box Party-Blog

http://hunting-boxes.blogspot.com/

Walter Kober: Hochsitz, Spreewald Brandenburg, 2001, Foto, 40x50 cm

Hochsitze

Teilnehmende KünstlerInnen:

Walter Ebenhofer, Paul Horn, Sarah Iremonger, Bertram Kober, Pettendi Szabó Péter

Ausstellungsdauer ab 26. Mai bis 30 Juli 2011.

Die Ausstellung soll einerseits auf dieses in der Landschaft häufig vorkommende architektonische Phänomen hinweisen, andererseits auch auf die gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Ebenen die damit zusammenhängen hinweisen. Hochsitze sind in unserer Landschaft kaum mehr wegzudenken, und gehen teils harmonische Beziehungen mit ihrer Umgebung ein, oder aber stehen in direkter Konkurrenz zu dieser, je nach Geschmack und Geschick des Erbauers. Auf den Hochsitz als Jagdhilfsmittel wird gern zurückgegriffen, vom Grundbesitzer bis zum Jagdmeister, Trophäen- oder Entspannungsjäger. Dort besteht die Möglichkeit das Wild unauffällig zu beobachten, oder einfach nur die Natur und Ruhe zu genießen. Er ist traditionell Ausgangspunkt um gezielt und bestenfalls unbemerkt Beute anzusprechen und zu erlegen, oder feudale Loge - welches Schauspiel auch kommen mag. So verweisen „getaufte“ Hochsitze mit Namen wie „Beichtstuhl“, „Pornokanzel“ oder „Whiskeysitz“ auf Aktivitäten jenseits der Jagd. Dennoch spiegelt diese banale Architektur, wie der Kulturhistoriker Bernhard Kathan Hochsitze nennt, nicht nur eine gewisse Entwicklung in der Jagd wieder, es lassen sich auch regionale Eigenheiten und individuelle Vorlieben ablesen, wie beispielsweise durch die Wahl der Baumaterialien oder der Inneneinrichtung.

Obwohl der Hochsitz idealerweise mit vorgefundenen Materialien vor Ort, und so funktional wie möglich gebaut werden sollte, finden sich immer wieder architektonische Unikate unter ihnen - skurrile Wachtürme in der Natur, die sich in den letzten Jahrzehnten stark vermehrt haben. Auf plötzlich mangelndes Nahrungsangebot und überlebensnotwendigen Kampf mit dem Tier ist dies sicherlich nicht zurückzuführen. Sie sind weithin sichtbares Zeugnis des Menschen, möglichst unscheinbar die Natur unter seine Gewalt zu bringen, sie zu beherrschen bzw. es zu versuchen. Ein nie endendes und Jahrtausende altes Bestreben. Der Hochsitz kann als kulturelle Praktik im Sinne Heideggers gelesen werden, wonach jedes System immer auch etwas ausblendet. Erkenntnis entsteht demnach im Oszillieren zwischen Eröffnen und Verbergen - ein Prinzip das dem Hochsitz eingeschrieben ist.

In der Gruppenausstellung sind internationale künstlerische Positionen zu sehen, die sich mit verschiedenen Medien mit Hochsitzen und deren vielfältigen Beziehungsgeflechten auseinandersetzen. Walter Ebenhofer dokumentiert schon seit den ´80er Jahren Hochsitze in Österreich und zeigt in Arbeiten seiner Einblick-Ausblick Serie die Vielfalt der Modelle, von der ausgedienten Gondel bis zum kanzellosen Modell auf waghalsiger Leiter. Dabei betont die Schwarzweißaufnahme des Hochsitzes dessen Wirkung in der Landschaft und Ortsspezifik, während der als Farbfotografie aufgenommene Ausblick aus dem Hochsitz den ursprünglichen Standort des Fotografen ins Visier nimmt, und uns manchmal einen kleinen Einblick in das Wohnzimmer des Jägers gewährt. Ebenhofer geht einem Jäger gleich vor, bewaffnet mit Kamera, immer auf Ausschau seiner Beute: auffällige Hochsitze. Ähnlich arbeitet der in Leipzig ansässige Fotograf Bertram Kober. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich mit diesem architektonischen Phänomen und fotografiert Hochsitze vornehmlich in Ostdeutschland. Er fokussiert ihre innewohnende Präsenz und Wirkung, sowie die oft eigenartige Materialität aus Holzteilen, ausgedienten LPG-Anhängern und diversen Stahlrohren oder Blechteilen. Assoziationen mit ehemaligen Wachtürmen der einstigen innerdeutschen Grenze liegen nahe, und auch die exponierte Lage an oder mitten in langgestreckten, flachen, gut überschaubaren Feldern betont den militärischen Touch dieser Gebilde. Der von Kober eingesetzte Farbfilter verleiht seinen Aufnahmen eine einheitliche Linie, die nicht als Label eines elementaren Bautyps zu lesen ist, sondern gerade dadurch die jeweilige grafisch-ästhetische Erscheinung der Hochsitze unterstreicht. 2008 ist im Plöttner Verlag ein Bildband zu dieser Serie erschienen.

Die irische Künstlerin Sarah Iremonger hat 2003 im Rahmen eines Stipendiatenprogrammes der Stiftung Kulturfonds der neuen Bundesländer in Wiepersdorf, Deutschland, die Installation „The Hunting Box Party“ zum Thema Hochsitze entwickelt. „The Hunting Box Party“ ist eine fiktive politische Partei deren Mitglieder Hochsitze sind. Für jeden Kandidaten dieser Partei gibt es Gadgets zu Repräsentationszwecken wie sie Parteien zu Wahlzeiten gerne unters Volk bringen, wie kleine Postkarten, Badges, Ansteckbuttons etc. die in einer Vitrine ausgestellt werden. Als Giveaway konzipiert, aber für den Betrachter unantastbar, verharren sie entmächtigt als Ausstellungsobjekte. Die Bedeutung und Funktion des Hochsitzes wird mehrmals ad absurdum geführt, gleichzeitig enthält die Arbeit einen entscheidenden Wink in politische Dimensionen des Themas. So werden auf der Jagd, und sicherlich auf dem einen oder anderen lauschigen Hochsitz, Gespräche geführt, Vereinbarungen getroffen, Jagdeinladungen ausgesprochen, Geschäfte abgeschlossen. Sarah Iremonger betont aber auch das Verlangen und die Sehnsucht des Menschen mit der Natur verbunden zu sein, ein Topos der seit dessen Höhepunkt in der Romantik immer wieder in der Kunst neu ausgelotet wird. Ironischerweise versucht gerade der Hochsitz dieses Nahverhältnis durch Distanz zu erreichen. Weiters wird die Künstlerin vor Ort ein mural anfertigen, eine Zeichnung direkt auf der Wand, die vom Boden bis zur Decke reicht und speziell für diese Ausstellung konzipiert wurde. Der multimedial arbeitende Künstler Paul Horn wiederum, lädt die Besucher dazu ein, seine aus alten Möbelteilen und Holzresten angefertigte mixed-media-Kanzel zu betreten, und das Geschehen von oben zu betrachten. Jeder kann zum Beobachter werden und wird gleichzeitig zum beobachteten Objekt und Teil der Ausstellung, durch die halboffene Kanzel und den erhöhten Standpunkt. Wer etwas zu Sagen hat ist hier richtig. Obwohl am Hochsitz schweigen Gold ist, auf dieser Kanzel zum Glück aber nicht.

In seiner Fotoserie zeigt Péter Pettendi Szabó das heutige „Schicksal“ des ehemaligen ungarischen-österreichischen Grenzengebiets, wo der Eiserne Vorhang früher war und wo das paneuropäische Piknik passiert ist. Seine Arbeit stellt diesen Gegend  und die Wachtürme in dem heuten Zustand in der Form von Tourist-Objekten, als eine "als ob-Situation": als ob diese Landschaft ein Teil der historischen Erinnerung wäre, als ob die auch von Touristen besucht wäre und als ob die gewöhnlichen  kitschigen Gegenstände im Handelsverkehr wären. So hat er ein Leporello mit Aufnahmen zustande gebracht, die einen Wachturm von dem früheren Eisernen Vorhang aus mehreren Perspektiven zeigen - zugleich auch die Perspektiven aus dem Wachturm - und Kühlschrankmagneten, die den Gegend als Postkarten-Ansichten darstellen.

 

Weiterführende Literatur:

Bernhard Kathan, Ein Stück banaler Architektur: Der Hochsitz, Wiener Zeitung, 5.3. 1999.

Bertram Kober, Hochsitz, Plöttner Verlag Leipzig, 2008.

Björn Zedrosser, Hochsitze, Österreichischer Jagd- und Fischerei-Verlag, 2007

Symposium zum Thema der Ausstellung am 7. Juni um 19 Uhr mit den Vorlesungen von

Othar Michl Jäger, wer die praktische Benützung von den Hochsitzen auseinandersetzt,

Zsuzsanna Kozák, wer den esthätischen-kulturgeschichtlichen Hintergrund der Hochsitze durch Kunstwerke analysiert.

Das Symposium schliesst mit der Präsentation von dem Projekt Herrgottschiff, mit dem Zusammenfassung der Erfahrungen Künstlergruppe The Corporation, die sie durch Verwirklichung dieser Arbeit an der Ausstellung No one belongs here thay you erworben haben, und was die religiöse-spirituelle Funktion der architektonischen Form (Kanzel-Raumschiff) aushebt.

Unterstützt von:

dem Österreichischen Kulturforum Budapest

Culture Ireland

NKA

UNIQA Biztosító/UNIQA VERSICHERUNG

Besonderer Dank an: Iparművészeti Múzeum, Budapest  (Museum für angewandte Kunst, Budapest)