Ausstellungsdauer: 08.04 – 29.05.2010
Eröffnungsrede und Katalogpräsentation von Dr. László Baán, Direktor des Museums für Schöne Künste, Budapest
In ihrer Arbeit „Ich will heiraten“ vergleicht und konfrontiert Luca Gőbölyös zugleich in ironischer Art, die traditionellen und modernen Formen der Rituale jenes Wissens miteinander, die bei der Partnerwahl möglicherweise helfen können. Diese Rituale oder „Praktiken“ werden nicht nur durch traditionelle, kleine Gemeinschaften oder familiäre Strukturen überliefert, sondern auch durch die beliebten Massenmedien vermittelt.
Die aus fünf Episoden bestehende Kochschow will alleinstehende junge Frauen in Zauberpraktiken, wie beispielsweise dem traditionellen ungarischen Liebeszauber einweihen. Der ganze Ablauf einer Beziehung wird hier nach einer gewohnten Reihenfolge der Ereignisse modelliert: wie eine alleinstehende Frau den Richtigen finden kann, wie sie ihn „verzaubern“, an sich binden und dann heiraten kann, wie sie ihn zurückerobern kann – wenn er sie verlässt, oder wie sie sich von ihm befreien kann – wenn er doch nicht der Richtige ist.
Am Ende des Films – wie bei einer richtigen Kochschow – werden die nachgekochten Rezepte schriftlich präsentiert, und zwar in Form einer Zutatenliste mit entsprechenden Instruktionen, ergänzt zu einem Stillleben. Nach der Sendung können die begeisterten Singles der ganzen Zeremonie auch im Katalog – gennant „Kochbuch“ – nachlesen. In der Arbeit von Gőbölyös wird das alles konsequent, der komplexen Medienform entsprechend realisiert.
An dieser Stelle sollte dennoch die berechtigte Frage aufgeworfen werfen: Bedeutet eine Heirat in einer Zeit, in der sich das Alleinleben – das „Single-Sein“ – zunehmend als eine neue Lebensform etabliert, immer noch den Weg zum Glück? Und wenn ja, braucht man dazu wirklich Rezepte?
Durch die drastisch veränderten Lebensumstände, die vor allem durch die neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage entstanden sind, ergeben sich immer öfter Situationen, in denen der Anspruch auf Sicherheit, übermittelt durch traditionelle Strukturen, Verhältnisse oder Bräuche, wieder eine wichtige Rolle einnimmt. Das kann einerseits dazu führen, dass der Glaube – sei es Aberglaube oder Zauberei – immer intensiver erlebt wird, andererseits aber auch dazu, dass solche alltägliche Tätigkeiten oder Rituale wie zum Beispiel das Kochen (was sowohl Intimität als auch Kreativität ermöglicht) immer beliebter werden.
In unserer neuen Lebensform haben sich aber noch keine neuen Traditionen herausgebildet, es gibt noch keine konkreten Methoden für die Lösung unserer Konflikte oder die Erfüllung unserer Wünsche. Das ist umso merkwürdiger, weil es auch unter den Singles, die das erwünschte Selbstständigkeits-Ideal erfüllen wollen, sicherlich Anspruch darauf gibt: das wird beispielsweise auch durch die vielen – vor allem auf Marktforschungen basierenden und zum Kult gewordenen – Fernsehserien bestätigt, die diese Thematik bearbeiten. Darauf deutet Gőbölyös nur mit einem einzigen, kleinen Element hin, darauf jedoch, dass der Fernseher zum grundlegenden Medium der Information in der heutigen Gesellschaft wurde, fokussiert sie nachdrücklich. Die ironische Absicht der Künstlerin ist eindeutig: die Imitation einer Kochschow, die immer den Zustand der Ruhe und des Wohlstands – also ideale, für viele Menschen dennoch nur gewünschte Zustände – voraussetzt, bedeutet für sie nur einen Anlass dazu, auch etwas Tiefliegenderes zu zeigen. Diese Begebenheit ist gewissermaßen eine Adaptation des kollektiven Wissens auf persönlicher Ebene: sie thematisiert alte, volkstümliche Bräuche, die um die Liebe und Liebesbeziehungen kreisen, die aber auch den heutigen Verhältnissen entsprechen.
Die ebenso das Milieu der ungestörten Ruhe und idealisierten Schönheit imitierenden, jedoch „hexenhaften“ Rezepte „füttern“ uns mit „Werbeästhetik“ und manipulieren unsere Wünsche. Ihr Wirkungsmechanismus wird verstärkt durch das Setting in dem einfachen, jedoch elegant möblierten Raum, der die Schauplätze der Werbewelt und Schönheitsindustrie evoziert, oder an die Wartezimmer kosmetischer Salons oder plastischer Chirurgie erinnert.
Die Ironie der Künstlerin bezieht sich aber auch auf ihre eigene Rolle: die Mimikry der gesammelten Ethnographien aus volkstümlichen Bräuchen in der ersten Phase ihrer Arbeit, wird von der Rolle als Moderatorin, die als Verwahrerin des Wissens auftritt, abgelöst. Gerade wegen ihres Perfektionismus und ihrer Selbstsicherheit verkehrt sich jedoch alles, so dass der Zweifel der Künstlerin an populärwissenschaftlichen Sendungen eindeutig wird.
Anhand von ungarischen, aber auch auf der ganzen Welt existierenden Liebesbräuchen, die mit zu Kommunikationsklischees verkommenen Medienformen dargestellt werden, bildet Gőbölyös universale Muster ab, wodurch ihre Arbeit lokalspezifische Verhältnisse hinter sich lässt. Mit der ironischen Paraphrase verwendeterFormen hebt sie aktuelle, persönliche und zugleich im sozialen Leben entscheidende Momente und Rollenbilder hervor.
Übersetzt von Dorottya Csécsei