Latvia
IV. The Role of Infrastructure in Collecting Temporary Art. Dreams and Reality
Inessa Rinke
Art Collecting in Latvia
Riga wird 2014 Europäische Kulturhauptstadt. Noch immer ist es unmöglich, die reelle Wirklichkeit der Infrastruktur der Kunst als hervorragend zu bezeichnen. Die Ausstellung des Lettischen Nationalmuseums zeigt Kunstwerke bis 1940. Die Museumssammlung besteht aus einigen Tausend Kunstwerken, die die Entwicklung der Kunst von der Nachkriegszeit bis heute gut repräsentieren könnten, doch der dauerhafte Engpass an Ausstellungsraum in Riga ist ein Hemmnis. Helēna Demakova, die ehemalige Kulturministerin und eine talentierte Kuratorin für zeitgenössische Kunst, konzipierte ein ambitioniertes Projekt: "Drei Brüder", das die lettische Nationalbibliothek mit einer Kunstgalerie (entworfen von Gunārs Birkerts, USA/Lettland), den Umbau eines alten Kraftwerks für die Bedürfnisse eines zeitgenössischen Kunstmuseums (entworfen durch Rem Koolhaas, Niederlande) und ein neue Konzerthalle (entworfen durch den lettischen Architekten Andis Sīlis) beinhaltet; allerdings sind nun die beiden letztgenannten Objekte wegen der Finanzkrise gestoppt.
Kurz gesagt dienen in Lettland die privaten Galerien und nicht-kommerziellen Institutionen bei der Entdeckung der zeitgenössischen Kunst als Orientierungshilfen für Kunstsammler. Die wichtigen zeitgenössischen Kunstausstellungen werden gelegentlich als vorübergehende Ausstellungen in den Museen gezeigt. Die lettischen Sammler tendieren in dieser Situation zur Bevorzugung etablierter Werte und traditioneller Medien – Malerei, Drucke und Skulptur.
Ein aggressiver Stil des Sammelns erschien in den 1980ern und 90ern mit Neureichen, die versuchten, einander in den Schatten zu stellen, und die sich extravagante Ziele setzten, wie das Zusammenraffen einer Sammlung mit 1000 Objekten. Die Vorgänge entwickelten sich schnell und in vielen Fällen kann keine bewusste Sammlungsstrategie entdeckt werden. Üblicherweise war diese auf bekannten Künstlernamen und dem privaten Geschmack des Sammlers begründet. Eine Ausnahme war die Sammlung des Architekten und Unternehmers Vello Remmerts; sein entwickelter Geschmack und Interesse in zeitgenössischer Kunst regte ihn zur Unterstützung der ersten konzeptuellen Galerie "M6" an. Allerdings funktionierte diese nur einige Jahre und es misslang, die Aufmerksamkeit anderer Sammler anzuziehen, trotz eines sehr bemerkenswerten Ausstellungsprogramms. Aivars Zvirbulis, der Besitzer des Verlages “Jāņa Sēta”, gründete danach eine Galerie desselben Namens und brachte eine bekannte und wertvolle Sammlung zustande. In beiden Fällen wurde echte zeitgenössische Kunst gesammelt. Eine weitere herausragende Persönlichkeit war der Sammler Raitis Gailis, der nicht nur für seine verfeinerte Sammlung der 1980er und 90er bekannt war; er unterstützte auch die Flüge von Künstlern in einem privaten Flugzeug zur Eröffnung der lettischen Kunstausstellung in der Pariser Stadthalle und publizierte einen Katalog.
In den späten 1980ern und frühen 90ern begann der Chef der SWH Holding, Ainars Gulbis, eine wertvolle Sammlung von Kunstwerken zusammen zu tragen. Heute beinhaltet seine Sammlung um die 2000 Kunstwerke, ein großer Teil davon Wert, in einem Museum ausgestellt zu werden. Künstler aus den 1980ern und 90ern und auch junge Künstler, die in der Kunstszene nach 2000 erschienen, machen einen großen Teil der Sammlung aus. Diese Sammlung rühmt sich herausragender Beispiele der lettischen Kunst der 1920er, darunter werke von Marta Skulme, Oto Skulme, Uga Skulme, Mitgliedern der berühmten Rigaer Künstlergruppe. Eine andere signifikante Sammlung, zusammengestellt von Dr. Guntis Belēvičs, wurde in den späten 1990ern und frühen Jahren des neuen Milleniums geformt. Hier kann man solche Perlen der lettischen Kunst wie Werke von Gustavs Klucis, Jāzeps Grosvalds, Aija Zariņa (dem der Künstlerkatalog und die Ausstellung im Museum gesponsort wurden) und von vielen anderen finden, arrangiert in einem beinahe enzyklopädischen System.
Die Zusammenarbeit zwischen dem lettischen Nationalmuseum und privaten Sammlern muss gelobt werden. Seit den frühen 1990ern hat das Museum seine Türen das Ausstellen einiger privater Sammlungen geöffnet, wie beispielsweise die Sammlung von Belēvičs, "Lettische Kunstklassiker", mit einem repräsentativen Katalog (2008), herausgegeben durch den Sammler. Die Pläne des Museums beinhalten auch den zeitgenössischen Teil der Sammlung.
Guntis Belēvičs besitzt auch die Bühnenbilder und Kostüme von AĪDA und Zauberflöte des Bühnendesigners Ilmārs Blumbergs, einige der besten Werke für Opernaufführungen.
Neue Sammler erschienen im neuen Jahrhundert, die eine bestimmte Periode sammelten oder bestimmte künstlerische Trends, den Teilnahmen von Künstlern in internationalen Biennalen in Sao Paulo, Venedig, Moskau und der Manifesta folgten (Teilnehmer Inta Ruka, Ilmārs Blumbergs, Evelīna Deičmane, Miks Mitrēvics, Katrīna Neiburga und andere). Zusammen mit den lettischen Kunstgalerien besuchten sie internationale Kunstmessen unter anderem in Chicago, New York, Moskau und Berlin.
Allerdings tendiert dies alles dazu, Ausnahme zu sein, und ein genauer definierter Anlauf für eine Sammlung bleibt selten. Etablierte Werte, wie etwa die Werke des "Goldenen Trios" der lettischen Kunst – Vilhelms Purvītis, Janis Rozentāls and Jānis Valters – bieten noch immer das sichere Gefühl für Wert, gehalten durch ein Jahrhundert. Das ermuntert die meisten lettischen Sammler, ihre zeitgenössischen Sammlungen mit klassischen Kunstwerken auszugleichen.
Mit der wieder etablierten Unabhängigkeit und der Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft waren neu gegründete Unternehmen mit Bezug zu Import und Export sowie aus dem Finanzsektor sehr aktiv, ihren Unternehmensstil zu etablieren. Kunst spielte eine signifikante Rolle im Entstehen des unternehmerischen Images. Swedbank Lettland sammelte mehr als 400 zeitgenössische Kunstwerke, zu sehen im zentralen Bürogebäude der Bank. Swedbank ist auch bekannt als Gründer des Swedbank Preises, ein bedeutender Preis zeitgenössischer Kunst in den baltischen Ländern. Dieser Preis ermöglich dem Gewinner die Organisation einer Einzelausstellung in einem der Museen in den baltischen Ländern. In einer Zusammenarbeit zwishcen dem er Vilhelms Purvītis Preis wurde gegründet in einer Zusammenarbeit zwischen dem Lettischen Nationalmuseum und dem Mäzen ALFOR Ltd. Der Betrag von 20.000 LVL (zirka 30.000 €) ist beispiellos in Lettland; der Gewinner hat ebenfalls die Möglichkeit, eine Einzelausstellung zu organisieren. Der Sponsor hat vereinbart, den Preis für die kommenden 10 Jahre zu unterstützen. Auch die ABLV Bank hat zugesagt, 1;000.000 LVL (um die 1;450.000 €) in die Sammlung des zukünftigen Museums zeitgenössischer Kunst zu investieren und hat auch Programme für zeitgenössiche Kunstausstellungen, für das Publizieren von Katalogen und für die Unterstützung von Künstlern in Gang gesetzt.
Während den vergangenen zwei Jahren wurden im historischen Lagerhauskomplex “Spīķeri” neue Räume für Kunst entwickelt, ermöglicht durch privat-öffentliche Partnerschaft. Dort wurde zur regelmäßigen Präsentation von Videokunst-Ausstellungen, Fotografie und Installationen ein Pilotprojekt für das Zeitgenössische Kunstmuseum - KIM (Kas ir māksla? / Was ist Kunst?) ins Leben gerufen, das auch ausländische Gastkünstler einlädt. Das KIM? und die nahe gelegenen, nicht-kommerziellen Galerien VKN und FK (Fotogalerie) streben gemeinsam an, die Öffentlichkeit an die zeitgenössische Kunst zu gewöhnen und auf dem Gebiet der zeitgenössischen Kunst zu erziehen. Seit 1993 wurden durch die Soros Foundation – Lettland, seit 2000 das LATVIAN CENTRE FÜR CONTEMPORARY ART, zeitgenössische Kunstausstellungen organisiert sowie Ausstellungen mit neuen Medien - durch das nicht-kommerzielle Zentrum RIXC, die Galerie NOASS und andere.
Die Besitzer der AB.LV Bank, Oleg Fil und Ernest Bernis, haben eine Tradition von Mäzenatentum initiiert, die Sammlung des zukünftigen Zeitgenössischen Kunstmuseums unterstützend. Die Ankäufe werden durch eine internationale Expertenkommission entschieden; der AB.LV Fund hat in Zusammenarbeit mit dem Norwegischen Financial Instrument bereits 200 Kunstwerke angekauft, die die zeitgenössische lettische Fotografie, Video- und Konzept- sowie Untergrundkunst repräsentieren. Seit 2007 investiert der AB.LV Fund signifikante Mittel zur Unterstützung von zeitgenössischen Ausstellungsprogrammen und für die Publikation von Katalogen.
Jānis Zuzāns, der Präsident von ALFOR Ltd., unterhält ein wichtiges Unterstützungsprogramm für junge Künstler. 2007 finanzierte er die eindrucksvolle Ausstellung junger Künstler, CANDY BOMBER, sowie den Ausstellungskatalog. Der Purvītis Preis, gegründet in Zusammenarbeit zwischen Zuzāns und dem lettischen Nationalmuseum der Kunst ist eine noch nie da gewesene Unterstützung für zeitgenössische Kunst. Die Forschungsarbeit für einen Katalog und eine Ausstellung, gewidmet dem originellen Künstler der älteren Generation Auseklis Baušķenieks (1910-2007), wird durch dieses Unternehmen unterstützt.
Zweifellos planen die Besitzer von wichtigen Sammlungen in Lettland durch die Gründung von privaten Museen und Galerien ihre Schätze der Öffentlichkeit zu öffnen. Einige dieser Sammlungen sind bereits für einen eingeschränkten Kreis interessierter Leute zugänglich, wie Forschern und Museumsspezialisten. Die unsichere finanzielle Situation und die Rezession haben für kurze Zeit diese Pläne unterbrochen.
Reiche Leute anderer lettischen Hafenstädte, besonders in Ventspils and Liepāja, befassen sich ebenfalls eingehend mit Kunstsammeln.
Es gibt die Meinung, die Sammler in Lettland sammelten nur die Werke von lettischen Künstlern. Die Motive für das Sammeln nationaler Kunst sind zu respektieren und verständlich. Besitzer großer Kunst identifizieren sich mit den Werken lettischer Künstler, das Nationalbewusstsein und die nationale Identität unterstützend. Die Sammlung von Rietumu Bank bricht mit den Stereotypen des lokalen künstlerischen Kontextes, da seine Sammlung in internationalen Auktionen geformt wurde, durch Käufe der Werke französischer Künstler wie Charles Daubigny, Jean-Baptiste-Camille Corot, und amerikanischer Künstler, die durch Art Deco beeinflusst sind, erfolgreich kombiniert mit den Arbeiten des populären lettischen Malers Ludolfs Liberts.